Neuseeland (2)
 

Aufgrund unseres straffen Zeitplans treten wir bereits am folgenden Tag die nächste Etappe an. Auf dem Weg nach Süden erreichen wir mit Einbruch der Dunkelheit die kleine Stadt Roturua, die als Zentrum der Maori Kultur und aufgrund der geothermischen Aktivitäten in ihrer Umgebung zu den bekanntesten touristischen Zielen des Landes zählt. An vielen Stellen sieht man Wolken aus weißem Wasserdampf emporsteigen. Der daraus resultierende Schwefelgeruch, der über der ganzen Stadt hängt, ist allerdings mehr als gewöhnungsbedürftig. In unserer Backpacker Unterkunft gibt es dann auch einen Pool, der von einer hauseigenen Quelle mit heißem Wasser gespeist wird und auch für unsere ermüdeten Knochen noch einen Platz zu bieten hat.

 

 

Der Boden dampft ...

Zwar bleiben wir auch in dieser Gegend nur einen Tag, kommen aber währenddessen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Man spürt regelrecht, daß die Erde hier nicht ruht. Besonders beim Besuch des Whakarewarewa, einem Heiligtum der Maori, sind wir restlos verblüfft. Innerhalb dieses Stück Lands, das man sich problemlos zu Fuß erlaufen kann, sind kochende und blubbernde Schlammlöcher genauso normal, wie dampfende Erdmulden und heiße Quellen. Hier können wir auch zum ersten Mal einen Geysir in natura beobachten. Die Naturgewalt ist uns selten so bewußt gewesen, wie in dem Augenblick, in dem erst langsam ein Grollen wie von Donner einsetzt und dann aus einem unscheinbaren Erdloch plötzlich kochend heißes Wasser unter einem immensen Druck in einer Fontäne senkrecht nach oben gen Himmel sprüht.

 

... und brodelt im heiligen Land der Maori

Die kommende Station im Land auf der anderen Seite der Erdkugel soll für uns die verhängnisvollste überhaupt werden, was wir zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht annähernd ahnen können.
Um Taupo, die nächste Stadt auf der uns selbstgesteckten Route zu erreichen, benötigen wir mehr als einen halben Tag, denn die Entfernungen sind groß in diesem Land und die Highways besitzen für jede Fahrtrichtung nur eine einzige Spur. Taupo ist am gleichnamigen Lake Taupo, dem größten See des Landes gelegen. In weiter Ferne bietet sich am gegenüberliegenden Ufer ein erster Ausblick auf den Tongariro Nationalpark, unserem Tagesziel. In dem aus den drei Vulkanen Tongariro, Ngauruhoe und Ruapehu bestehenden Nationalpark beziehen wir ein Zimmer in einer Lodge am Fuße der Vulkane. Von hier aus wollen wir morgen das Tongariro Crossing starten, eine Tageswanderung über eine Distanz von siebzehn Kilometern quer durch das Vulkanplateau des Tongariro, das sich aus mehreren Kratern zusammensetzt. Die Tour steigt bis auf eintausendundachthundert Meter an und soll bei gutem Wetter zu den schönsten Neuseelands gehören, bei gutem Wetter eben...

 

Es ist der Morgen des neunzehnten Januar, als der Bus uns und ein paar andere Tramper, wie sich die Wanderer in Neuseeland bezeichnen, zum Mangatepopo Parkplatz, dem Ausgangspunkt des Trips, bringt. Die einheimische Fahrerin des Busses, die sich im alpinen Vulkangebiet offensichtlich bestens auskennt, fragt uns alle noch einmal, ob wir wirklich losgehen wollen, denn es regnet und auch der Wetterbericht verspricht keine Besserung. Nachdem sie uns über die möglichen Wetterlagen auf dem Gipfel unterrichtet hat, sind wir auch ein wenig skeptisch und überlegen, ob wir das Vorhaben nicht besser aufgeben sollen. Doch wir sind mit Abstand die Jüngsten im Bus und keiner der anderen macht irgendwelche Anstalten wieder zurückzufahren. Außerdem bietet sich die Busfahrerin an, in drei Stunden noch einmal zum Ausgangspunkt zurückzukehren, um diejenigen einzusammeln, denen es zu hart werden würde. Nach dem Motto „no risk, no fun!“ nehmen wir, zu alledem auch noch schlecht ausgerüstet, die Herausforderung an, und starten ins Abenteuer. Zu Anfang führt uns der leicht ansteigende Weg durch einen erkalteten Lavastrom hinauf zu einer Quelle mit dem Namen Soda Springs, wo wir nach einer Stunde ankommen. Wir hatten uns entschlossen in Shorts zu starten, die schon jetzt vom stetigen Regen ziemlich durchnäßt sind. Zudem frieren uns vom unablässig pfeifenden Wind die Beine, und so denken wir an diesem Punkt der Tour darüber nach, vielleicht doch besser den Rückweg anzutreten, denn hier bietet sich zum letzten Mal die Chance dazu. Allerdings haben wir noch jeweils eine Jogginghose in unseren Tagesrucksäcken, was uns, nachdem wir die langen Beinkleider angezogen haben, erneut motiviert. Zudem ist der nächste Abschnitt der steilste, und wir sind froh darum, denn die körperliche Anstrengung beim Aufstieg läßt so etwas wie Wärme in uns aufkommen. Je höher wir klettern, um so stärker weht der Wind. Nach einer weiteren halben Stunde stehen wir am Rand des südlichen Kraters, und als wir durch die windgeschützte Senke des ehemaligen Vulkanschachts marschieren, denken wir, das Schlimmste überstanden zu haben.

Schon der nächste Anstieg belehrt uns eines Besseren. Den Südkrater unter uns lassend steigen wir einen schmalen Pfad hinauf zum Red Crater. Nebel verhüllt uns die Sicht, so daß wir nur ahnen können, wie tief die Steilhänge zu beiden Seiten abfallen. Jeder Schritt ist ein Wagnis, denn es stürmt so sehr, daß wir uns mit dem gesamten Körper gegen die Böen legen müssen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. In physisch und psychisch desolatem Zustand erreichen wir mit dem Kraterrand den höchsten Punkt der Tour. Der Wind läßt zum Glück wieder etwas nach, als wir von dort auf einem Hang aus grober Asche, mehr hinunterrutschend als gehend, in den South Crater vorstoßen. Diesen durchqueren wir mit strammen Schritt, wir gehen so schnell wir können, um nur ein Minimum an Körperwärme zu bewahren und haben nur das eine Ziel vor Augen, die Ketatahi Hut, eine noch einige Kilometer entfernte Berghütte. Die Freude und Erleichterung, diese nach einer weiteren Stunde Marsch erreicht zu haben, ist einfach unbeschreiblich. Wir sind die schnellsten von allen, es ist zwölf Uhr mittags.

 

Gezeichnet von den Strapazen der Tour

 

Somit haben wir die Strecke bis hierher in nur drei Stunden erlaufen. Lange Zeit verbringen wir am Ofen der Hütte, zum einen, um uns selbst wieder aufzutauen, und zum anderen, um unsere Klamotten, die auf diesem zum Trocknen liegen, alle fünf Minuten zu wenden, damit sie nicht verbrennen. Von Brot und Schokolade gestärkt brechen wir erst einige Zeit später wieder zu dem noch zwei Stunden Fußmarsch weit entfernten Treffpunkt auf, an dem uns der Bus wieder abholen wird. Die Beine sind zwar schwer, doch unsere Gemüter hellen sich langsam wieder ein bißchen auf. Das letzte Stück wandern wir, nachdem wir die Baumgrenze passiert haben, durch subtropischen Buschwald und genießen es, sowohl wieder Grün zu sehen, als auch das Zwitschern einiger Vögel zu hören. Wir und auch die anderen Wagemutigen haben es geschafft. Alle sind zwar vollkommen fertig, doch nicht minder Stolz darauf, die selbst gestellte Aufgabe überstanden und den Berg besiegt zu haben.

Wir taufen die Tour den „Walk to survive“ und fallen am Abend zwar total todmüde und ausgelaugt, aber mindestens ebenso aufgekratzt ins Bett. Am folgenden Tag sind wir zu nichts fähig und Matthias hat leichtes Fieber. Das Nachspiel des Tongariro Crossings beginnt.

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